Im Blauerhund-Konzept verweisen Madeleine und Rolf Franck an einigen Stellen auf das EMRA-System. Mit diesem System sollen die Emotionen von Hunden in „Problem-Situationen“ besser eingeschätzt werden können – so kann der Trainer noch individueller auf den Hund eingehen. Das hat mich – wie sollte es anders sein – neugierig gemacht 🙂
Das auch Tiere Freude, Wut oder Trauer empfinden können, hat sich mittlerweile glücklicherweise herumgesprochen – vorbei sind die Zeiten, in denen unsere Hunde als gefühllose Reiz-Reaktions-Roboter dargestellt wurden. Das englische Centre of Applied Pet Ethology (COAPE) beispielsweise legt bereits seit vielen Jahren sein Hauptaugenmerk auf die Erforschung von tierischen Emotionen. Hier waren die Autoren Robert Falconer-Taylor, Peter Neville und Val Strong maßgeblich an der Entwicklung des EMRA – Systemes beteiligt, welches sie im Buch „Emotionen einschätzen, Hunde verstehen“ vorstellen.
Verhaltenstherapie auf dem neuesten Stand der Forschung
Wenn es Probleme mit dem Hund gibt, sind Pauschaldiagnosen schnell zur Hand. Mal ist der Hund dominant, mal leidet er unter Trennungsangst oder ist leinenaggressiv. Im schlimmsten Fall wird umgehend eine psychische Krankheit diagnostiziert – beispielsweise das Schreckgespenst „Cockerwut“ – und der Hund bekommt Medikamente oder wird im Extremfall eingeschläfert.
Das COAPE-Institut geht hier bewusst einen anderen Weg. Mit Hilfe des EMRA – Systems (EMRA steht für Emotional, Mood State and Reinforcement Assessment) haben die Autoren einen einfühlsamen und individuellen Lösungsansatz für Problemverhalten entwickelt. Die ebenso simple wie geniale Grundidee des EMRA -Systems ist dabei die genaue Beobachtung und Einschätzung des Hundes: Wie fühlt sich der Hund, wenn er das unerwünschte Verhalten zeigt? Wie ist generell seine Grundstimmung? Und was motiviert ihn, mit seinem nicht erwünschten Verhalten fortzufahren? Denn nur, wenn man sich wirklich in den Hund hineinversetzt, kann individuell an Problemverhalten gearbeitet werden.
Emotionen einschätzen, Hunde verstehen
Der entscheidende erste Schritt bei der Arbeit mit dem EMRA – Systems ist die emotionale Einschätzung des Hundes, der sich beispielsweise anderen gegenüber aggressiv verhält oder die Wohnung umdekoriert, wenn er alleine gelassen wird. Denn es ist ein großer Unterschied, ob der Hund ängstlich, frustriert oder zornig ist, wenn er gerade den Wohnzimmerteppich zerlegt! Der zweite Schritt der Verhaltenstherapie ist die Einschätzung der Grundstimmung des Hundes. Denn erst, wenn der Hund sich rundum wohl in seiner Haut fühlt macht es überhaupt Sinn, an speziellen Problemen zu trainieren! Dieses grundsätzliche „Lebensgefühl“ des Hundes zu erkennen und ins rechte Lot zu bringen, ist eines der Hauptanliegen der Autoren. Auch hier ist Robert Falconer-Taylor und seinen Mitautoren ein individuelles Herangehen sehr wichtig: Denn Jack Russel Terrier brauchen natürlich ganz andere Dinge zum glücklich sein als Labradore, Border Collies oder Pyrenäenberghunde!
Das EMRA – System in der praktischen Anwendung
Der größte Teil des Buches ist der praktischen Umsetzung des EMRA – Systems gewidmet. Anhand von sechs Fallbeispielen aus der realen Praxis von Verhaltenstherapeuten des COAPE Institutes wird anschaulich erklärt, wie man das theoretische Konstrukt der Verhaltenseinschätzung in der Praxis anwendet. Vom schüchternen Labrador Ben, der Angst vor Fremden hat, über die Dackeldame Mimi, die gelegentlich ins Bett pinkelt bis zum Cocker Spaniel Bracken, der wegen angeblicher Cockerwut eingeschläfert werden sollte, werden die Hunde und ihre Probleme ausführlich vorgestellt und dann deren Lebensumstände mittels des EMRA – Systems analysiert. Die Fallbeispiele sind dabei anschaulich beschrieben und die Anwendung des EMRA – Systems wird gut erklärt. Als Bonuskapitel gibt es noch den Fall eines markierenden Katers – denn auch auf Katzen ist das EMRA – System problemlos anwendbar!
„Emotionen einschätzen, Hunde verstehen“ ist ein anschauliches, praxisorientiertes System das Hundehalter ermutigt, ihren Hund als fühlendes Wesen mit eigener Persönlichkeit wahrzunehmen und genau nach dem „Warum?“ zu fragen, wenn es im Zusammenleben zu Problemen kommt. Das COAPE Institut bietet keine schnellen Standard-Lösungen, sondern eine Anleitung für ein individuelles Herangehen und damit eine passende Therapie, die oft überraschende Wege geht.
Alle Bilder sind aus dem vorgestellten Buch, Verwendung mit freundlicher Genehmigung des Cadmos Verlages.
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